Vorsicht Kunst-Akte

Eine audiovisuelle Werkerfassung

(meu.)Eine heiße Debatte löst zurzeit die Präsentation von Aktdarstellungen in internationalen Kunstmuseen aus. Gefordert werden neuerdings erläuternde Kommentierungen und Warnhinweisen neben den Exponaten. Einige Museen haben bereits Bilder abgehängt oder deren Präsentation verweigert. Eine neue, von hochgradiger "Political Correctness" gezeichnete Sicht auf Aktdarstellungen, die zu einem Verbot statt Gebot der Kunstvermittlung im musealen und öffentlichen Raum führt, scheint zurzeit en vogue zu sein.

Eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit diesen Bildgegenständen birgt jedoch gerade die Möglichkeit, Provokationen, Ungereimtheiten und Grenzüberschreitungen in der Kunst über eine ausführliche ikonografische und darüber hinaus gehende ikonologische Analyse zu thematisieren, um auf diesem Wege einen differenzierten, zeitkritischen Blick der SuS auf Inhalte der Bildenden Kunst als Kunst- und Zeitdokumente anbahnen zu können.

In diesem Sinne und unter dieser didaktischen Zielsetzung befassten sich SuS eines elften Jahrgangs mit einem Bildklassiker der Renaissance und erfassten zunächst durch eine folienbasierte fokussierte Bildanalyse allgemeine sowie epochenspezifische bildnerische Mittel von Tizians Venus, wie z.B. die Entdeckung der Zentralperspektive und die neu entdeckte Körperlichkeit in der Revision des bis dahin geltenden Menschenbildes.

Im weiteren Verlauf ging es nun darum, mit Hilfe eines kreativen Schreibansatzes den SuS die historische Dimension des Werkes zu eröffnen und sie sich dieser annähern zu lassen. Die verschiedenen Perspektivwechsel in Auseinandersetzung mit dem Kunstgegenstand förderten dabei implizit den durch die historische Distanz verstellten Blick auf Bildinhalte zutage, wie z.B. die bis heute aus dem 19. Jahrhundert vorherrschenden romantisierten Vorstellungen zum Thema Liebe und Lebensgestaltung, die mit der damals vorherrschenden Auffassung und Lebenskonzeption grundlegend kollidieren.

Die SuS erfassten auf dem Hintergrund der vertieften Auseinandersetzung nicht nur die formalen, kunstwissenschaftlichen Implikationen des Sujets, sondern sie entwickelten in der Konfrontation mit eigenem und fremdem Weltverständnis ein Bewusstsein für den rezeptionsgeschichtlichen, historischen, politischen und sozio-kulturellen Hintergrund eines Bildklassikers.

Die Ergebnisse der schriftlichen und künstlerisch praktischen Auseinandersetzungen sind in einem Video, einer audio-visuellen Inszenierung festgehalten, in dem auch biografisch-psychologische und sozio-kulturelle Aspekte in der reziproken Betrachtung von historischem und aktuellem Zeitgeschehen zum Tragen kommen.

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