Auslandsjahr

Erlebnisse auf den Färöer-Inseln

Ein paar Eindrücke findet ihr hier als PDF - mehr Bilder unter dem Artikel!

Hallo ihr Lieben,

da bin ich wieder, Charlotte aus dem Auslandsjahr mit AFS auf den Färöer-Inseln. Ich möchte euch ein bisschen updaten, wie es mir so geht. Inzwischen bin ich schon fast ein halbes Jahr hier. Am Anfang musste ich sehr viel verarbeiten und mich an viel gewöhnen, daher habe ich relativ viel Zeit mit schlafen verbracht. Mittlerweile habe ich mich aber gut eingelebt und mich an den Alltag hier gewöhnt. Zugegebenermaßen ist es recht schwer sich mit Färingern zu „connecten“. Sie gelten als Kokosnuss, also als außen mit harter Schale, aber innen mit weichem Kern. Das kann ich auf jeden Fall bestätigen! Es war recht schwierig Freundschaften zu schließen, weil die Menschen Zeit brauchen, aufzublühen. Aber mittlerweile habe ich wirklich richtig tolle Freunde gefunden. Auch in meiner Gastfamilie fühle ich mich total wohl. Weihnachten hat uns auf jeden Fall noch mehr zusammengeschweißt. Besonders, weil ich die färöischen Traditionen (um den Baum tanzen, die Mandel im Reispudding suchen u. Ä,) miterleben durfte, habe ich mich sehr wohl und als ein Teil der Familie gefühlt.

Nachdem ich jetzt einige Zeit hier wohne, bin ich, trotz des stürmischen und nassen Wetters und der langen Busfahrten überall hin, sehr dankbar, die Inseln kennenlernen zu dürfen. Und ich bin auch dankbar, einer der wenigen Menschen sein zu dürfen, die Färöisch lernen und das Leben und den Alltag hier hautnah miterleben. Überhaupt, die Sprache: Niemals hätte ich gedacht, dass ich in meinem Leben eine Sprache wie Färöisch lernen würde! Falls ihr auch ein Auslandsjahr machen wollt, möchte ich euch sagen: Traut euch ruhig in ein Land zu gehen, dessen Sprache ihr (noch) nicht sprecht. In einem Auslandsschuljahr geht es um mehr als das Verbessern der Sprachkenntnisse in Englisch, Spanisch, Französisch, … Man kann als Teil einer Familie eine neue Kultur kennenlernen und macht viele Erfahrungen, die einen bereichern und wachsen lassen. Dazu möchte ich euch zwei Beispiele geben. Das erste hat, mehr oder weniger direkt, mit Essen zu tun.

Für mich als Vegetarierin ist das traditionelle färöische Essen leider nicht gut geeignet, da es ziemlich fleischlastig ist. Mir war von Beginn an wichtig, offen mit meiner Gastfamilie zu kommunizieren und so war klar, dass ich Vegetarierin bin, aber trotzdem auch die färöische Esskultur respektiere und kennenlernen möchte. Sie fragen mich nun jedes Mal, ob ich ein (Fleisch-)Gericht probieren möchte, ich muss aber nicht. Und die Möglichkeit mir etwas anderes dazu zu kochen habe ich natürlich immer. Der Fleischkonsum hier war mit einem Erlebnis verbunden, auf das ich noch lange zurückblicken werde. Jeden Herbst wird auf den Färöern das Schlachten der Schafe zelebriert. Die Schafe haben hier ein sehr natürliches Leben. Sie leben einige Jahre in den Bergen, fast ohne Kontakt zu Menschen. Auch, weil es hier auf den Inseln nur wenig einheimische Nahrungsmittel gibt, ist Schaf mit das Nachhaltigste, was es gibt. Nun war es also Herbst und es wurde geschlachtet, wobei meine Familie auch mithilft. Meine Gastgeschwister sind, wie fast alle anderen Färinger, damit aufgewachsen. Sie waren also daran gewöhnt zuzugucken. Ich hatte mich auch dazu entschieden, mitzukommen, aber ich muss zugeben, dass es mir nicht so leichtgefallen ist, dabei zu sein. Aber das Kennenlernen neuer Kulturen im Gastland ist ein großer Teil des Auslandsjahres und dann gehört es auch dazu, ab und zu über seinen Schatten zu springen. Es war für mich definitiv ein prägendes Erlebnis und es hat mich darin bestätigt, Vegetarierin zu sein. Ich bin dennoch froh um diese Erfahrung, denn auch solche Erlebnisse bringen einen immer weiter. Und eine wichtige "Regel", die ich in der Vorbereitung durch AFS gelernt habe, lautet: Immer "ja" sagen, möglichst viele Chancen ergreifen und Erfahrungen mitnehmen. Dadurch hat man auch die Möglichkeit Großartiges zu erleben. Das bringt mich zum zweiten Beispiel.

Ein anderer Teil der färöischen Kultur ist der traditionelle Tanz. Färöischer Tanz besteht grob gesagt daraus, dass Menschen in einem Kreis stehen, sich an den Händen halten und Schritte nach rechts und links machen. Das klang für mich erstmal recht langweilig, aber selbstverständlich habe ich teilgenommen, als sich die Gelegenheit bot. Da zum Tanzen keine Musik gehört wird, sondern selbst gesungen wird, fühlt man eine extreme Einheit. Mir ist total warm ums Herz geworden. Es ist so schön von einer anderen Kultur auf- und mitgenommen zu werden.

Kommen wir zurück zur Sprache. Selbstverständlich besuche ich hier einen Sprachkurs. Der begann allerdings erst, als ich schon fast drei Monate hier war. Deshalb war ich teilweise dann schon weiter als die Kursinhalte und habe dort am Anfang nicht mehr so viel dazu gelernt. Das war aber nicht so dramatisch, denn den allergrößten Teil der Sprachkenntnisse erwirbt man sowieso im Alltag. Man ist den ganzen Tag von der Sprache umgeben, also schnappt man das meiste einfach auf. Und ich muss sagen: Ich finde es auch richtig spannend, Unterschiede und Ähnlichkeiten der verschiedenen Sprachen zu entdecken. Beim Erlernen der Sprache hilft mir natürlich auch die Schule.

Ich besuche hier eines der drei „Colleges“. Das Schulsystem ist anders aufgebaut als in Deutschland. Von der ersten bis zur neunten Klasse besucht man die Schule und dann kann man sich entscheiden, was man in der zehnten Klasse machen will. Ein Auslandsjahr, ein Internat, aber auch eine sogenannte Haushalts-Schule sind als Optionen sehr verbreitet. Dann kann man entweder von der 11. bis zur 13. Klasse (bzw. vom 1. bis zum 3. Jahr) aufs College gehen oder anfangen zu arbeiten bzw. einen Beruf zu erlernen.

Bis jetzt gefällt mir der Schulalltag wirklich gut. Ich muss leider deutlich früher aufstehen als zu Hause in Göttingen, da meine Schule 30 km von unserem Dorf entfernt ist, aber die Zeit im Bus nutze ich, um zu schlafen, Musik zu hören oder etwas zu lesen. Normale Schultage dauern hier von 8:10 Uhr bis 15:05 Uhr, aber das heißt nicht, dass das jeden Tag so ist. Man kann an meinem College zwischen drei verschiedenen Zweigen wählen: Naturwissenschaften, Business und Sprache. Ich besuche den Sprachzweig, genau wie die beiden anderen Austauschschülerinnen an der Schule. Vor Schulstart hatte ich einen Termin in der Schule, um über meine Fächerpräferenzen zu sprechen und das Gebäude schonmal kennenzulernen. Ich hatte also Mitspracherecht bei der Fächerwahl. Als Sprachen habe ich jetzt Färöisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Deutsch hilft mir sehr um Färöisch zu lernen. Wenn wir z.B. etwas übersetzen müssen, mache ich es einfach andersherum. Also noch ein Tipp an zukünftige Austauschschüler*innen: Wenn ihr die Chance habt, eure Muttersprache zu belegen, macht das! Es hilft sehr im Sprachlern-Prozess und Spaß macht es natürlich auch. Weitere Fächer, die ich habe, sind Mathe, Biologie, Sozialwissenschaften, Sport und Lernmethoden.

Das Schulleben hier unterscheidet sich in manchem von dem am OHG. Wir sprechen unsere Lehrerinnen und Lehrer mit Vornamen an und man duzt sich. Im Unterricht arbeiten wir auch mit Laptops und Smartphones, die sind selbstverständlicher Teil des Schulalltags. Mittags kann man hier Essen kaufen, aber es gibt auch die Möglichkeit, mitgebrachtes Essen in Mikrowellen aufzuwärmen, das ist echt praktisch und natürlich viel günstiger. In den wenigen Monaten, die ich hier zur Schule gehe, habe ich schon viele besondere Feiern und Aktivitäten mitgemacht: die Wanderung auf den Berg zu Schuljahresbeginn, das Sportfest, bei dem sich jede Klasse passend zu einem selbstgewählten Motto verkleidet hat, unsere Klassenfahrt auf die kleine Insel Nólsoy, eine künstlerisch-kreative Projektwoche, eine Halloweenparty und ein Ball in der Schule, eine Weihnachtsfeier in der Sporthalle mit viel Livemusik, an der die ganze Schule teilgenommen hat, ein Weihnachtsgottesdienst, … und es gibt noch viel mehr Veranstaltungen, auf denen ich nicht war. Ich habe das Gefühl, dass all diese Aktivitäten dazu führen, dass wir mehr als Gemeinschaft zusammenwachsen und auch Dinge lernen, die im Unterricht nicht vermittelt werden (können).

In ihrer Freizeit tun Jugendliche hier ganz „normale“ Dinge, viele spielen Handball, Fußball oder Volleyball, aber auch Musizieren, Tanzen und Reiten sind verbreitet. Ich selbst spiele Querflöte in einem Orchester, gehe ab und zu mit zum färöischen Tanz und kann im Frühjahr hoffentlich wieder reiten. Ins Kino gehen ist hier für mich übrigens, zumindest bei englischsprachigen Filmen, kein Problem, denn die Filme werden nicht synchronisiert, sondern im Original gezeigt. Nachmittags nach der Schule arbeiten die meisten Jugendlichen, im Supermarkt, an der Tankstelle o. Ä. Somit tragen die Jugendlichen hier ziemlich früh Verantwortung. Abends und an Wochenenden wird dann allerdings gerne gefeiert.

Für den einen oder anderen mögen die Färöer uninteressant und langweilig klingen – kühl, windig, nass, mehr Schafe als Menschen usw. Das kann ich zwar auf den ersten Blick verstehen, aber die Inseln haben ihren ganz eigenen Charme und so viel zu bieten. Und ich fühle mich hier richtig wohl und freue mich auf die zweite Hälfte meines Auslandsjahres. Bis bald!

Eure Charlotte

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