Wandmalereien

Schlüpf ins Bild

Überarbeitung der Wandmalereien in der Oberen Pausenhalle

(mbs.) Wir haben diese Bilder gesehen und sie gehörtem zum OHG, es schien, als ob sie immer schon da gewesen wären, aber natürlich hatten sie eine Geschichte: Als der Euro die D-Mark ablöste, da gab es eine Entwicklung hin zu mehr Europa, was auch bedeutete: mehr Toleranz, mehr Multikulti, mehr Stolz auf die kulturelle Vielfalt und auf die trotz allem bestehenden Gemeinsamkeiten auf unserem Kontinent und zugleich: mehr Weltoffenheit!

Die Einführung des Euros war deshalb nicht nur eine Entwicklung für die Finanzmärkte, sondern auch Ausdruck einer Haltung, weg vom begrenzten nationalen Staatendenken. Die Wandmalereien, die zu jener Zeit entstanden, trugen jeweils ein Architekturmotiv jeder Stilpoche, die historisch für die gesamte westliche Welt verbindlich schienen: Antike, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Industriezeitalter und Moderne waren auf den Euro-Scheinen stilisiert wieder gegeben und symbolisierten mehr als Geld, nämlich: dass wir eine Kulturgemeinschaft sind! So waren die Bildmotive hier gemeint.

Dies zur Vorgeschichte, die man über die Jahre zumeist vergessen hatte. Eine gewisse Leere machte sich später bemerkbar für den neutralen Bild-Betrachter, es gab weder Hinweise auf die Gegenwart, es gab auch fast keine Personen, und wo es sie gab, war eine Erkennbarkeit der malerischen Abstrahierung anheim gefallen. Außerdem erschienen diese zartfarbigen, sehr harmonisch wirkenden Gebäudebilder zerbrechlich, da sie eine Zersplitterung aufwiesen, wie es die moderne Kunst vielfach vorgemacht hat: von Cezanne angefangen, über Macke und Marc, Klee, Kandinsky, Picasso, Braque, Feininger und natürlich Duchamps, um nur einige Künstler zu nennen.

Moderne Kunst musste demonstrieren, dass der Blick auf die Wirklichkeit, der in einen zerbrochenen Spiegel gleicht, diese Brüche spüren wir noch heute, die Unschuld der ungebrochenen naturgetreuen Darstellung lässt sich nicht wiederherstellen…!

Das Konzept einer Umgestaltung wurde von der Schulleitung an den Fachbereich Kunst herangetragen; ich ließ mich gerne inspirieren, mir drängten sich förmlich Veränderungen auf, denen ich mich nicht entziehen konnte: Tiefe müsste in den Raum, Menschen sollten ihn beleben, Geschichten sich mitteilen, möglichst verschiedene, auseinanderweichende, Heutiges sollte passieren, mitten in den Architekturfragmenten, aus ihrer Welt des Zauberspiegels sollten diese erlöst werden und mitspielen neben dem weiter stattfindenden Alltag.

Menschen halten nicht nur die Scherben in den Händen, sondern auch technisches Gerät, Kommunikationsmittel, Spielzeug und Fortschritt, alles in Einem. Medien begleiten uns, die neue Zusammenhänge herstellen und Bilder konstruieren, die es so noch nie gab.

In die Scherbenwelt kehrt ein der Raum zurück, die Aussicht auf eine Tiefe und damit Zukunft sowie das Personal, welches diesen Raum zu durchschreiten in der Lage ist.

Zur Idee von Europa gesellen sich neue gesellschaftliche Widersprüche, kriegerische Auseinandersetzungen, die sich kaum jemand hatte träumen lassen und surreal wirkende Konfrontationen zwischen heute und früher. Intensivere Farben lenken den Fokus auf neue Bildzentren und dynamische Linien werden in den Raum gespannt, so dass diese Bilder aus der Ideenhaftigkeit herausgreifen in die (Schul-) Wirklichkeit. Das Alte bleibt Teil des Neuen, wie im echten Leben, es wird nur teilweise überlagert, manchmal integriert.

Über die Zersplitterung legen sich neue Ebenen, die aber keineswegs widerspruchsfrei neben dem Tradierten coexistieren. Dem Gemeinsamen auf der Spur bewegen sich die Bilder nun zu anderen Bereichen des Tuns: des Reisens, des Tanzens, des Spielens und Lernens, des Konsumierens und des Kommunizierens. Sie stellen die Frage, was wir machen wollen mit diesemunserem Geworfensein in die Masse, mit den ganzen Verbindungen zu Mitmenschen und deren Kulturen, mit der explodierenden Außenwelt und der dennoch darin bestehenden Innenwelt. Überall ist nur noch Tellerrand und darüber hinaus, wo gibt es noch Plätze, die niemand zuvor betrat?

Mit den EW-Kursen Kunst im Schuljahr 22/23 und 23/24 gelingt die Umsetzung der bestehenden Entwürfe in die neue Originalform. Dabei ist noch vieles an Entwicklungen offen: wo benötigen wir verbindende Flächen, wo gehören Kontraste hin, wo muss Beruhigung einkehren und wo Dynamik entstehen? Wie konkret werden wir?

Was an Brüchen war, wird nicht "gekittet", sondern mit überlagernden Schichten in neue Zusammenhänge gestellt - wie das letzte Jahr sind auch in diesem Jahr die beteiligten Schüler und Schülerinnen stark an der Entstehung mit beteiligt.

Spätestens zum Ende des laufenden Schuljahres wird es eine Eröffnung der neuen
bleibenden Ausstellung in der Oberen Pausenhalle für Alle geben.

Matthias Moebius, 4.10.2023

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