Landessieg

"Bewegte Zeiten"

Alle zwei Jahre findet er statt: Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Er ist der größte historische Forschungswettbewerb für jungen Menschen in Deutschland, der 2021 zum 27. Mal stattfand. So facettenreich wie die Geschichte per se sind die jeweiligen Themen, die es zu erforschen gilt. In diesem Jahr lautete es: "Bewegte Zeiten. Sport macht Gesellschaft."

Elena Zimmerer, Hanna Dörnte, Wasim Nazari, Patrick Barbosa Júnior und Jannick Fiege, allesamt frisch gebackene Abiturientinnen  und Abiturienten des Geschichtstutorial von Herrn Jaek, hatten gerade ihre Facharbeit im zweiten Semester abgegeben, als sie sich in dieses Abenteuer stürzten. "Diese Projektarbeit direkt im Halbjahr nach der Seminarfacharbeit zu zünden", so Herr Jaek, sei eine sehr große Herausforderung gewesen, denn gemeinhin ist man erst einmal froh, sich vom wissenschaftlichen Arbeiten mit hoher Relevanz für das Abitur erholen zu können. Willenskraft und ganz sicherlich auch ein Faible für das Fach, gepaart mit einer entsprechenden Begeisterungsfähigkeit, haben dann dieses großartige Ergebnis ermöglicht.

Hanna und Elena haben dafür ein Zeitzeugeninterview mit der Göttinger Basketballlegende Wilbert Olinde, der jetzt in Hamburg lebt, geführt. Das war so beeindruckend, dass ihr Beitrag auch für das Bundesfinale nominiert wurde. Die Reise geht also weiter.

Über ihre Erfahrungen berichten die fünf in dem folgenden Interview:

Was ist das für ein Gefühl – Landessieger/in zu sein bzw. einen Buchpreis zu erhalten?

Hanna: Nun wirklich Landessiegerin zu sein, ist ein tolles Gefühl. Ich freue mich riesig und bin sehr dankbar, dass unser Beitrag so gewürdigt wird.

Elena: Es ist ein tolles Gefühl, Landessiegerin zu sein, ich kann es immer noch nicht realisieren.

Patrick: Da es sich beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten um den ersten "richtigen" Wettbewerb für mich handelte, erfüllt es mich schon ein wenig mit Stolz. Letzten Endes war es zwar nur ein kleiner Erfolg, aber immerhin war es einer.

Jannick: Man kann stolz auf sich sein, einen Preis in Form von Literatur gewonnen zu haben.

Wasim: Ehrlich gesagt ist es ein etwas enttäuschendes Gefühl, da wir auf ein besseres Ergebnis gehofft haben. Dennoch bin ich stolz auf unser Ergebnis als Gruppe und vor allem auch auf Hanna und Elena für ihre erstaunliche Leistung.

Dieser Wettbewerb fand unter Ausnahmebedingungen statt – wie haben Sie die Arbeit daran erlebt?

Hanna und Elena: Die besondere Situation erforderte viel Planung und ein gutes Zeitmanagement. Problematische Einschränkungen und Bibliotheksschließungen durch den Lockdown aufgrund von COVID-19 konnten wir durch unseren frühzeitigen Recherchebeginn in unserer Archivarbeit umgehen, indem wir viele für unser Projekt relevante Artikel des Archivs frühzeitig einscannten und anschließend zuhause auswerten konnten.

Patrick: Diese Ausnahmebedingungen sind auch während der Erarbeitung unseres Wettbewerbsbeitrages deutlich zu spüren gewesen. So hinderten uns die Kontaktbeschränkungen z.B. daran, uns problemlos auszutauschen. Alternativen zum persönlichen Austausch wie das Internet mussten also her. Auch geschlossene Archive oder begrenzte Kapazitäten dieser erschwerten unsere Arbeit enorm. Und nach einigen Stunden, die man mit Maske in einem stickigen Archiv verbracht hat, sank nicht nur die Motivation, sondern auch vor allem die Konzentration.

Jannick: Durch das Virus waren wir sehr eingeschränkt, jedoch hat es bei unserer Gruppe sehr gut geklappt und alle haben zielstrebig und sauber gearbeitet. Das war auch meines Erachtens der Schlüssel für das gute Ergebnis.

Wasim: Es war eine echte Herausforderung und genau das war das Reizende - zumindest rückblickend betrachtet. Die Archivarbeit mit Maske und die ungewohnte, digitale Kommunikation haben uns die Arbeit erschwert, aber da mussten alle durch.

Können Sie kurz mit eigenen Worten wiedergeben, worum es in Ihren Beiträgen geht?

Hanna und Elena: In unseren Beitrag geht es um Wilbert Olinde, den ersten afroamerikanischen Basketballspieler beim ASC Göttingen. Er spielte in den 1970/80er Jahren in der Mannschaft. In dieser Zeit wurde sie mit Olindes Beteiligung mehrfach deutscher Meister und Pokalsieger. Generell geht es aber nicht nur um den Erfolg, sondern auch darum, ob seine Integration gelang und welche Aspekte dabei relevant waren.

Patrick und Jannick: In unserem Beitrag haben wir uns mit dem universitären Flugsport in unserer Heimatstadt Göttingen befasst. Genauer gesagt galt es für uns, herauszufinden wie sich die faschistische Ideologie der Nationalsozialisten zur Zeit des Dritten Reichs auf den Flugsport hier in Göttingen auswirkte. Dafür haben wir die Entwicklung des Flugsports an der Uni Göttingen von Ende des Ersten Weltkrieges bis Ende des Zweiten Weltkrieges genauer unter die Lupe genommen. Diese Zeiten sind gerade eines der spannendsten Zeiten der jüngeren Vergangenheit,  jedoch in meist trauriger Form.

Wasim: Unser Beitrag thematisiert den Segelflugsport in Göttingen während der NS-Zeit. Dabei ging es uns nicht nur darum, die damalige Situation zu beschreiben; wir wollten nämlich einen Prozess, der sich zu der Zeit abspielte, hervorheben und somit den Wandel im Segelflugsport darstellen.

Hanna und Elena - Sie haben Wilbert Olinde interviewt: Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit diesem Zeitzeugen erlebt?

Elena: Wilbert Olinde ist ein unfassbar offener und herzlicher Mensch. Er hat sich viel Zeit für uns genommen und uns überhaupt erst ermöglicht, einen solchen Beitrag verfassen zu können.

Hanna: Ich habe selten eine so hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Wilbert Olinde hat uns sehr weiter geholfen. Er hat sich viel Zeit für unsere zahlreichen Fragen genommen und uns Kontakte zu alten „Basketballbekannten“ hergestellt.


Herr Jaek berichtet, dass Sie sogar an Wochenenden im Universitätsarchiv Akten gewälzt und geforscht haben – ist das schon so ein "richtiges Studentenfeeling" gewesen, bei dem man die Schule lang hinter sich gelassen hat?

Elena: Ja, man könnte das stundenlange Forschen als "richtiges Studentenfeeling“"bezeichnen.

Patrick: Tatsächlich habe ich mich ein wenig wie ein Student gefühlt. Immerhin hat man um uns herum in dem Archiv keinen einzigen in unserem Alter gesehen. Wir waren mit Abstand die jüngsten. Doch vor allem das selbständige Recherchieren von Informationen und Erschließen von unangetasteten Akten und Archivalien hat einem das Gefühl verliehen, selbst bereits Student zu sein, obwohl das Abi noch nicht einmal in der Tasche war. Das Verfassen der Facharbeit war dagegen ein Klacks.

Jannick: Die Tage im Archiv waren anstrengend und zwischenzeitlich dachten wir, dass das nicht der richtige Weg ist. Jedoch spielte der Wochentag keine Rolle, weil wir zu dritt "malocht" haben.

Wasim: Auf jeden Fall. Etwas Eigenes in den Händen zu halten ist unseren Augen viel mehr als eine schulische Leistung. Es hat uns definitiv einen kleinen Ausblick auf das uns bevorstehende Studium gegeben, diese Erfahrung war demnach sehr hilfreich.



Was nehmen Sie aus dieser Arbeit und Erfahrung persönlich für sich mit?

Elena: Dass sich der Arbeitsaufwand immer auszahlt, egal ob man letztendlich Erfolg hat oder nicht. Die Erfahrung macht einen mit jedem Mal besser.

Hanna: Ich denke schon, dass es in gewisser Weise eine Vorbreitung auf das Studium war. Wir haben sowohl Bücher aus der SUB genutzt als auch Quellen aus dem Archiv ausgewertet. Persönlich nehme aus dieser Arbeit viele neue Erfahrungen mit, zum einem der Umgang mit Zeitzeugen, zum anderen das methodische Arbeiten, wie Recherche, Auswertung und Verknüpfung von Quellen. Außerdem war der gemeinsame Schreibprozess eine tolle Erfahrung. Wir konnten gegenseitig voneinander lernen und je länger wir schrieben, desto mehr hatten wir uns als Team eingespielt.

Patrick: Was ich aus der Erarbeitung unseres Beitrages mitnehme, ist auf jeden Fall, dass es wichtig ist Ordnung und Struktur bei seiner Arbeit und Recherche zu behalten - vor allem, wenn man in einer Gruppe aus mehreren Personen zusammenarbeitet.

Jannick: Akten und Origianlzeugnisse aus der Vergangenheit sind eigentlich IMMER mit wissenswerten Informationen gespickt. Außerdem kann man aus vielen kleinen Randnotizen tolle Ergebnisse bündeln.


Wasim: Kommunikation ist der Schlüssel. Anders kann man es nicht beschreiben, wir haben nämlich gelernt, dass solche Kompetenzen für eine Gruppenleistung essentiell sind.

Können Sie Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern die Teilnahme an einem solch bedeutenden Wettbewerb empfehlen?

Elena: Ich würde meinen Mitschülern die Teilnahme auf jeden Fall empfehlen. Es macht Spaß, bei einem Thema in die Tiefe zu gehen und etwas Neues herauszufinden.

Hanna: Ja, ich würde jedem dazu raten, am Geschichtswettbewerb teilzunehmen. Man lernt nicht nur viel Neues über das "Forschungsthema" dazu, sondern erweitert auch seine methodischen Kompetenzen.

Patrick: Naja sagen wir so: Die Teilnahme war für mich persönlich auf jeden Fall eine akademische Bereicherung und evtl. schon eine Vorentlastung für das spätere Leben als Student, in dem Hausarbeiten in vielen Studiengängen gang und gäbe sind. Bis zu einem gewissen Grad hat es trotz des Stresses und der heiklen Corona-Situation sogar Spaß gemacht, sich mit der neuen Materie auseinanderzusetzen. Ob es für diese Erfahrung jedoch wirklich wert war, so viel Zeit und Arbeit zu investieren, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich würde die Teilnahme am Wettbewerb daher nur denjenigen empfehlen, die bereit sind Opfer und Leistung zu bringen.

Jannick: Liebe Schülerinnen und Schüler: Bitte nehmt an solchen Wettbewerben teil! Es bringt euch definitiv weiter!!

Wasim: Ich würde diese Teilnahme definitiv weiterempfehlen, aber nur falls auch wirklich Interesse besteht bei den jeweiligen Schülerinnen und Schülern. Denn wenn es von vorne herein keine Motivation in der Gruppe gibt, wird das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein.

Worauf sollten Sie sich einstellen, wenn Sie daran teilnehmen?

Elena: Man sollte sich auf viel Planung im Voraus einstellen. Hanna und ich haben Monate vorher geplant und Quellen gesammelt.

Hanna: Der Arbeitsprozess ist auf jeden Fall sehr zeitintensiv, aber das Forschen kann auch sehr viel Spaß bereiten, wie es bei uns der Fall war. Eine gute Planung ist aus meiner Sicht das A und O.

Patrick: Der Wettbewerb unter Corona-Bedingungen stellte aufgrund der strikten Maßnahmen natürlich nochmals eine besondere Herausforderung dar. Unabhängig von der Corona-Pandemie sollte man sich jedoch auch darauf einstellen, dass man viel Zeit und Arbeit aufwenden muss. Während andere ihre Zeit mit den schönen Dingen des Lebens verbringen, hockt man womöglich neidisch vor Akten und Archivalien und arbeitet - auch in den Ferien. Man sollte sich deshalb auch darauf gefasst machen, mit Frustration konfrontiert zu werden.

Jannick: Eine lange und gründliche Ausarbeitung ist die Voraussetzung. Es bringt nichts, halbe Sachen abzugeben.

Hannas und Elenas Beiträge sind für den Wettbewerb auf Bundesebene nominiert - was erwarten Sie persönlich?

Hanna und Elena: Wir hoffen natürlich, dass wir Bundessiegerinnen werden. Es wäre eine Ehre für uns und eine zusätzliche Bestätigung, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat.

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