Angeregte Diskussionen über Pflichtlektüre

(rau.) Etliche Kurse der Q2 besuchten mit ihren Lehrerinnen die Lesung der Autorin Jenny Erpenbeck, zu der das Literarische Zentrum ins THG eingeladen hatte. Jenny Erpenbecks Roman "Gehen, ging, gegangen" ist für den 12. Jahrgang verbindliche Abitur-Lektüre, ein Roman also, der von allen gelesen werden sollte. Die Aula war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Nachdem Jenny Erpenbeck zwei Kapitel aus ihrem Buch gelesen hatte, wurde die Diskussion eröffnet, der alle aufmerksam folgten, weil die Fragen aus dem Plenum, das aus Schülerinnen und Schülern aller Göttinger Oberstufen bestand, Jenny Erpenbeck auf besondere Weise herausforderten. Am Ende der Diskussion durften alle mit nach Hause nehmen, dass Literatur gerade auch von der Uneindeutigkeit lebt und dass es nicht die einzige von der Autorin autorisierte Version einer Interpretation gibt. Auch konnte insofern Unterrichtsstoff wiederholt werden, indem Erpenbeck deutlich werden ließ, dass die scheinbar langweiligen Stellen eines Buches, wie solche, in denen sich der Protagonist Richard die Schuhe bindet, durchaus auch zur Charakterisierung von Figuren und Atmosphäre wichtig sind. Jenny Erpenbeck stellte die Bedeutung ihres Roman anhand einer Metapher vor: Sie habe den Roman auch als "Wackerstein" geschrieben, den sie in die "Scheiben der bürgerlichen Fensterscheiben" werfen wolle. Kein Aufruf zur Gewalt, wie man leichtfertig denken könnte, sondern ein Appell zum Aufwachen aus der Bequemlichkeit: Wie Richard merken, dass man nicht alles weiß und dass man, je mehr man weiß, umso mehr erkennen möge, wie wenig man weiß vom Leben anderer Menschen.