Weltenschreiber

Auf der Zielgeraden

(rau.) Die Weltenschreiber der Klasse 9b trafen sich wieder mit ihrer Autorin Lena Gorelik im Literarischen Zentrum. Sie sprachen mit ihr über Schreiberfahrungen und planten die Präsentation, die am 25. Juni gemeinsam mit vier weiteren Weltenschreiber-Klassen aus dem Göttinger Raum im Jungen Theater stattfinden wird.

Die Autorin erzählte unter anderem von ihren Anfängen, als sie sich als Kind so viele Geschichten ausgedacht hatte, sie dann so eindrucksvoll, lebendig und anschaulich erzählte, dass die Erwachsenen sie für wahr hielten. Fürsorgliche Erwachsene meinten daraufhin, sich besonders gut um dieses Kind kümmern zu müssen, das so viele wilde und sicher verstörende Erfahrungen gemacht habe.

Eine das Treffen vorbereitende Aufgabe war, dass die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b einen Teil ihrer fiktiven Autobiografie als alte*r, erfolgreiche*r, weltbekannte*r Schriftsteller*in aufschreiben sollten, in dem sie davon erzählen, wie sie mit dem Schreiben angefangen haben. Einige Auszüge zu positiven Schreiberfahrungen aus diesen fiktiven Autobiografien finden sich hier, geschrieben von Alena, Anna-Lena, Carlotta, Enja, Leonhard, Mathilda, Theo.

"Nun um ehrlich zu sein, erinnere ich mich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Meine ersten Abenteuer in der Welt des Geschichtenschreibens vor nun mehr als 40 Jahren. Damals waren wir im 9. oder 10. Jahrgang als junge Autoren unterwegs. Weltenschreiber, so wurden wir genannt und obwohl dieser Name imposant und vielversprechend klang, mussten wir anfangs eine Menge lernen, denn, wie sagt man so schön? Aller Anfang ist schwer. Zu meiner Rechten lagen meine Stifte, zu meiner Linken stand ein frisch aufgebrühter Tee. Mittig vor mir platziert lag sie, die Weltenschreiber -Kladde. Das war also mein Anfang und ich kann wirklich sagen, ja es war schwer. Minutenlang starrte ich auf das bis dato ungenutzte Notizbuch vor mir. Ich hatte mich, das weiß ich noch ganz genau, auf eine Kiste vor die Fensterbank gesetzt und diese als Tisch genutzt. Nun ja, es ging nicht unbequemer, aber ich hoffte, mir würde schneller etwas einfallen, wenn ich meine Mitschüler, die teilweise draußen arbeiteten, beobachtete. Zu meinem Bedauern war es allerdings nicht der Fall. Fünf andere waren außer mir noch im Wintergarten der Einrichtung, in der wir innerhalb einer zweitägigen Fahrt in das Weltenschreiber-Projekt starteten. Die Atmosphäre war entspannt und nahezu perfekt, um sich etwas Spannendes auszudenken. Doch auch nach einer guten Viertelstunde gelangt mir das nicht. Innerlich verfluchte ich diese Aufgabe. Vier Karten mussten wir ziehen. Protagonist, Setting und Plot und ein "Extra", das wir, weiß Gott wie, einbinden sollten. Mir fiel es so unsagbar schwer zu diesen Vorgaben etwas Interessantes aufs Papier zu bringen. Ich hatte Minute für Minute immer mehr das Gefühl, dass es nur mir so geht, denn immer, als ich von meinem, immer noch unbeschriebenen Blatt aufsah, erblickte ich nur fleißig schreibende Weltenschreiber. Doch dann, als ich bereits kurz davor war, aufzugeben, kam der rettende Einfall, das Licht am Ende des düsteren Tunnels! Ich bewaffnete mich mit meinem Kugelschreiber und begann zu schreiben. Ich brachte die Wörter in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit in mein Notizbuch, es fühlte sich beinahe so an, als würden sie sich überschlagen und verstricken, bis ich nach einiger Zeit über den von mir geschaffenen Wortsalat stolperte und mir etwas auffiel. Ich mochte den Protagonisten, der Plot war komplex und spannend [aber] ich hatte kein passendes, schlüssiges Ende. Wieder musste ich feststellen, dass unsere Zeit für diese Schreibaufgabe begrenzt war. Denn gerade, nachdem mir das aufgefallen war, kam unsere begleitende Lehrerin und verkündete, dass die Zeit um sei. Diese Geschichte hat bis heute kein richtiges Ende."

"Am besten konnte ich Geschichten oder Texte verfassen, wenn ich ganz allein war. So fielen mir auch viele Ideen ein und ich war zusammen nur mit mir, meinem Buch und einem Stift irgendwo in der Natur oder im Haus oder in irgendeiner Ecke."

"Ich fing an, nach der Schule zu Hause, am Wochenende und in meiner Freizeit zu schreiben. Ich weiß noch, ganz am Anfang hatte ich mich oft gefragt, warum das Projekt ausgerechnet "Weltenschreiber" hieß. Heute weiß ich es. Ich schrieb und schrieb und schrieb mich in eine andere Welt, in meine eigene, in der ich selber entscheiden, bestimmen und in die ich jederzeit fliehen konnte."

"Als wir dann endlich mit dem Geschichtenschreiben anfangen durften, setzte ich mich nach draußen an einen ruhigen, ungestörten Ort. Ich hatte so viele Ideen, die ich alle in eine Geschichte bringen wollte. Ich setzte meinen Stift auf das erste Blatt meiner Kladde und fing an zu schreiben. Erst nur drei Worte und dann Seite um Seite immer weiter."

"[Ich] entdeckte […] das Schreiben. Das Geschichten- und Weltenerfinden. Ich baute mir meine eigenen Länder, Städte und pflanzte meine dichten Wälder und heiße Wüsten. Ich erfand meine eigenen Filme und schrieb sie nieder. In diesen Filmen spielte ich mit, mit den Gedanken und Körpern anderer Personen. Ich konnte rumspinnen, nachdenklich werden und traurig sein. All dies erlebte ich nur dort, in meinen Geschichten. Ich konnte mir überlegen, was gewesen wäre, hätte ich einmal andere Entscheidungen getroffen. Oder wäre ich nicht in eine mitteleuropäische, deutsche Familie gekommen. Theoretisch hätten alle meine erfundenen Charaktere mit meinen Gedanken ich selbst sein können."

 

"Doch nach und nach fiel mir auf, dass meine Geschichten mir einen Weg boten, mich auszudrücken und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Von Geschichte zu Geschichte probierte ich mich also neu aus und bemerkte, wie viel Spaß es mir machte, neue Charaktere zu erschaffen und in sie hinein zu schlüpfen."

"Ich bekam langsam Spaß am Schreiben, und so schrieb ich auch privat für mich Texte. Mal ging es um simple Dinge, aus denen sich am Ende wieder mehrere Seiten Text ergaben, manchmal gab es auch feste Punkte oder Handlungen, zu denen man eigentlich gar keine Ideen hatte, sich aber dann doch etwas entwickelte. Manchmal waren Geschichten aber auch schon nach einer halben Seite auserzählt und haben trotzdem mehr Inhalt, als welche über drei Seiten. Jedoch wurde dieses Projekt nicht von allen genutzt, da sie sich einfach nicht auf das Projekt und die Aufgaben eingelassen haben und nur die kleinen schlechten Dinge gesehen haben und diese so aufbliesen, dass sie den Rest des Projektes überschattete. Wenn […] alle schrieben, so entwickelte sich eine ganz besondere Stimmung. Dann ging man an einen Ort seiner Wahl und schrieb da. Am besten konnte ich schreiben, wenn ich ganz alleine war, nur das Rauschen der Bäume und ich."

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